Eutrophierung der Ostsee

Im Einzugsgebiet der Ostsee leben rund 80 Millionen Menschen. Es umfasst 1,72 Millionen km² Fläche; 95% davon fallen dabei auf die 9 Ostseeanliegerstaaten Finnland, Russland, Estland, Lettland, Litauen, Polen, Deutschland, Dänemark und Schweden. Die restlichen 5% der Einzugsgebietsfläche gehören zu Weißrussland, zur Ukraine, zur Tschechischen Republik, zur Slowakischen Republik und zu Norwegen. Darunter sind auch kleine Anteile der grenzüberschreitenden Flusssysteme Memel, Düna, Weichsel und Oder zu berücksichtigen.

Den größten Anteil am Ostseeeinzugsgebiet hat Schweden, gefolgt von Russland, Polen und Finnland. Deutschland hat unter den Ostseeanrainern das kleinste Einzugsgebiet mit ungefähr 29.000 km². Durch M-V werden lediglich ca. 2% der Bevölkerung und <2% der Fläche des Einzugsgebietes der Ostsee verkörpert (Warnow/Peene, Oder, Schlei/Trave).

Das größte chronische Problem der Ostsee stellt deren ständig zunehmende Eutrophierung dar. Mit "Eutrophierung" wird der Prozess der entweder natürlich oder anthropogen verursachten Nährstoffanreicherung bezeichnet, d.h. es gelangen mehr Pflanzennährstoffe (Phosphor- und Stickstoffverbindungen) in das Gewässersystem als wieder exportiert werden. Dieses führt zu einer fortschreitenden Anreicherung von Nährstoffen im Gewässer und sukzessive zu einem vermehrten Pflanzenwachstum und weiteren negativen Folgeerscheinungen ökologischer (Algenmassenvorkommen, Sauerstoffarmut, Fäulnisprozesse, Fischsterben) und ökonomischer (Fischerei, Tourismus) sowie sozialer (Gesundheit und Erholung) Art.

Als Hauptquellen dieser Nährstoffeinträge haben die Regierungen der Ostseeanrainerstaaten in ihrer Zusammenarbeit im Rahmen des Helsinki-Übereinkommens die Landwirtschaft, die kommunalen und industriellen Abwässer sowie die Sektoren Verkehr und Industrie identifiziert. Rund 820.000 t Stickstoff und 40.000 t Phosphor wurden aktuell im Jahr 2000 (Daten der HELCOM PLC-4, 4. Pollution Load Compilation) über den Wasserpfad in die Oberflächengewässer des Ostseeeinzugsgebiets der Anrainerstaaten eingetragen. Ca. 90% davon wurden über die 7 großen Flüsse in die Ostsee eingetragen. Da in der Vergangenheit die punktuellen Quellen durch technische Maßnahmen (z. B. Bau von Kläranlagen) stetig verringert werden konnten, ist nunmehr der Hauptteil dieser Einträge (59% beim Stickstoff und 54% beim Phosphor) den diffusen Quellen zuzuordnen.

Zur Senkung der diffus eingetragenen Nährstoffemissionen in die Oberflächengewässer im Ostseeeinzugsgebiet werden im ostseeweiten Maßstab u. a. Maßnahmen im Bereich der Landwirtschaft vorgeschlagen. Dieses gilt insbesondere regional für den südwestlichen Ostseeraum (Schweden, Dänemark, Deutschland, Polen), in dem die Landwirtschaft agrarflächenbezogen einen höheren Anteil an den Stickstoffemissionen hat als im ostseeweiten Vergleich. Die nordöstlichen Ostseeanrainer und Polen haben einen großen Nachholbedarf bei der Schließung von Punktquellen (kommunale und industrielle Abwässer) sowohl bei Stickstoff- als auch bei Phosphorverbindungen. Mit Ausnahme von Polen hat die Landwirtschaft dort einen geringeren Anteil als im Mittel.

Seit der politischen Wende sind in Mecklenburg-Vorpommern große Nährstoffreduktionen erzielt worden und auch rückläufige Trends in der Nährstoffbelastung der Küstengewässer zu verzeichnen. Beim Phosphor resultiert die Reduktion der Einträge (-60bis 90% bezogen auf die einzelnen Küstengewässer) zwischen 1990 und 2000 vorwiegend aus der Schließung kommunaler und industrieller Punktquellen sowie aus einem übermäßigen Verlust an Viehbeständen und hier insbesondere bei den Schweinen, deren Kofermente einen hohen Phosphoranteil haben. Dies führte zu einer starken Verminderung der Phosphorüberschüsse auf den landwirtschaftlichen Flächen.

Bei der Verminderung der Stickstoffeinträge in die Ostsee wurde das politische Ziel der 50%-Reduktion von den Ostseeanrainern nicht erreicht. In Mecklenburg-Vorpommern wurden im Mittel zwischen 1990 und 2000 jedoch überdurchschnittliche Reduktionen von ca. 30-40% erzielt, die zu gleichen Anteilen der Schließung der Punktquellen und der Reduktion der diffusen Einträge aus der Landwirtschaft zuzurechnen sind (Reduktion der Stickstoffüberschüsse auf den landwirtschaftlichen Nutzflächen um 50-60%). Zur Zeit sind 60-70% aller Stickstoffeinträge des Landes in die Ostsee den diffusen Einträgen aus den landwirtschaftlichen Flächen zuzuordnen.

Wenn die Eutrophierung im vergleichsweise besonders empfindlichen Binnenmeer der Ostsee überwunden werden soll, sind im Rahmen der bestehenden Gesetzes- und Regelwerke weitergehende Anstrengungen aller EU-Mitgliedsstaaten und Russlands angezeigt. Letztendlich entscheidet sich die Erreichung der rechtlich verbindlichen Ziele des „guten ökologischen Zustands“ der Küstengewässer am gemeinsamen Willen und Handeln der betroffenen Ostseeanrainerstaaten, die EG-Wasserrahmenrichtlinie Nr. 2000/60EG (WRRL) harmonisch und in einer stringenten Form unter Einbeziehung aller Nähr- und Schadstoffeinleiter in die erforderlichen Bewirtschaftungspläne und Maßnahmeprogramme umzusetzen. Auch das Land Mecklenburg-Vorpommern hat hierbei trotz seiner im Verhältnis zu anderen Ostseeanrainern günstigen Ausgangslage und geringen Einflussnahme auf das Wohlergehen der offenen Ostsee rechtlich verbindliche Obligationen sowie aufgrund der festgestellten Defizite weiteren großen Handlungsbedarf zur Zielerreichung des "guten ökologischen Zustands" der eigenen Oberflächen- und Küstengewässer. Dabei hat die EU-weit harmonisierte Umsetzung der WRRL u.a. das Ziel, den Gewässerschutz wettbewerbsneutral für die Wirtschaft zu gestalten.