Erstmals Störe mit Satellitensendern in der Ostsee versehen

Nr.109/2025  | 15.05.2025  | LM  | Ministerium für Klimaschutz, Landwirtschaft, ländliche Räume und Umwelt

 

Die jahrzehntelangen Bemühungen und nachweislichen Erfolge bei der Wiederansiedlung des Baltischen Störs (Acipenser oxyrinchus) in der Ostsee haben einen weiteren Meilenstein erreicht: Erstmals wurden im Rahmen eines länderübergreifenden Pilotprojektes der Landesforschungsanstalt für Landwirtschaft und Fischerei Mecklenburg-Vorpommern (LFA MV) und der Schwedischen Universität für Agrarwissenschaften (SLU) Störe mit Satellitensendern ausgestattet.

„Die Satellitentelemetrie eröffnet völlig neue Möglichkeiten, die Wanderwege der besetzten Störe in der Ostsee präzise, kontinuierlich und großräumig zu erfassen. Der größte Vorteil dabei ist, dass Satellitensender nicht an zuvor festgelegte Receiverstationen gebunden sind. Im Gegensatz zur herkömmlichen Akustiktelemetrie lassen sich mit Satellitensendern durch den Einsatz von lichtbasierter Geolokalisation die gesamten Wanderbewegungen über Hunderte bis Tausende Kilometer dokumentieren, auch in offenen Meeresbereichen. Zusätzlich können, durch die Verwendung verschiedener Sensoren, die Temperatur, Beschleunigung und vertikale Bewegung der Störe, über die aufgenommenen Daten, dargestellt werden. Dadurch lassen sich nicht nur bekannte, sondern auch neue oder bislang unerkannte Lebensräume wie Laichplätze, Nahrungsgründe oder Überwinterungsareale identifizieren. Darüber hinaus bekommen Wissenschaftler unter Umständen sogar ein Life-Update über den aktuellen Standort der Störe, vorausgesetzt, dass diese sich lange genug an der Wasseroberfläche aufhalten, sodass einer der 18 ARGOS-Satelliten ein Signal erfassen kann.

Ein weiterer Vorteil: Die Nutzung von Satellitensendern ermöglicht eine besonders tierschonende Forschung. Nach dem Anbringen der Sender an einer Knochenplatte sind keine weiteren Eingriffe erforderlich, was eine Beobachtung des natürlichen Verhaltens erlaubt. Die gewonnenen Erkenntnisse tragen direkt zur Verbesserung von Schutzmaßnahmen bei. Erste Ergebnisse zeigen, dass einzelne Tiere innerhalb von 87 Tagen mehr als 100 Kilometer bis vor die schwedische Küste zurücklegten“, sagt Fischereiminister Dr. Till Backhaus.

Die Satellitentelemetrie ergänzt die seit 2022 laufende akustische Telemetrieforschung, mit der sich die Bewegungen der Störe in küstennahen Bereichen und Flusssystemen wie Oder und Stettiner Haff nachvollziehen lassen. Über das European Tracking Network (ETN) sind diese Bewegungen sogar länderübergreifend bis nach Dänemark und Schweden dokumentierbar. Neben diesen technischen Innovationen bleibt auch die Einbindung der Berufs- und Angelfischerei ein wichtiger Baustein für das Monitoring. Fangmeldungen liefern wertvolle zusätzliche Daten. Nicht zuletzt erlaubt die Kombination aller Datensätze über Monate oder sogar Jahre hinweg die Erstellung von Zeitreihen, die für das Verständnis von Veränderungen in den Lebensgewohnheiten der Störe, etwa infolge des Klimawandels, von zentraler Bedeutung sind.

Die Wiederansiedlung des Baltischen Störs wird seit den 1990er Jahren intensiv von der LFA MV zusammen mit Partnern in Deutschland und darüber hinaus vorangetrieben. Der als „lebendes Fossil“ geltende Stör, der mehr als 200 Millionen Jahre Evolution überdauert hat, galt in der Ostsee seit den 1970er Jahren als ausgestorben. Basierend auf genetischen Untersuchungen wurde 2002 entschieden, den nordamerikanischen Atlantischen Stör (Acipenser oxyrinchus), eine für den Baltischen Raum ursprüngliche Art, in der Ostsee wiederanzusiedeln. Dazu wurden ab 2005 und 2006 Laichtiere aus Kanada importiert und seit 2010 erfolgreich an der LFA MV vermehrt.

„Die LFA spielt eine zentrale Rolle bei der Wiederansiedlung des Störs im Baltischen Raum. Nicht nur durch die Anwendung der verschiedenen Untersuchungssysteme hat sich besonders das Institut für Fischerei der LFA international als Ansprechpartner etabliert. Das Ziel der Wiederansiedlung des Baltischen Störs als Teil der Biodiversitätsstrategie zeigt schon jetzt erste Erfolge. So wurden seit der ersten Vermehrung in der Forschungsanlage in Born/ Darß 9 Millionen Larven erbrütet. Seit 2006 wurden in Deutschland rund 4,4 Millionen Baltische Störe besetzt. Weiterhin haben Kooperationspartner aus Deutschland, Polen, Litauen, Lettland, und Estland zwischen 2020 und 2024 mehr rund 5 Millionen Larven ausgesetzt. Das derzeit größte Weibchen in Born, welches zur Reproduktion der Larven beiträgt ist 2,5 Meter lang und 120 Kilo schwer. Ihr Alter wird auf 35 Jahre geschätzt. Darüber hinaus konnten mit verschiedenen Anpassungen bei der Reproduktion die Erfolge deutlich verbessert werden. Allein 2024 wurden insgesamt 2,3 Millionen Störlarven erbrütet. Das ist das Siebenfache gegenüber 2010. Die Befruchtungsrate lag bei 90,6 Prozent, die Schlupfrate bei 78 Prozent. An der Vermehrung nahmen in den vergangenen beiden Jahren erstmals junge Nachwuchslaichtiere teil. Sie wurden aus anderen Haltungsanlagen nach Born überführt und in den Laichtierbestand integriert“, sagt der Minister.

Die Ziele des Projekts sind ambitioniert: Langfristig soll eine sich selbst erhaltende Population des Baltischen Störs im Ostseeraum etabliert werden, die perspektivisch auch wieder eine nachhaltige Fischerei ermöglichen könnte. Die Maßnahmen sind eingebettet in internationale Strategien wie den HELCOM Action Plan für den Baltischen Stör. Sie werden von zahlreichen Staaten im Ostseeraum unterstützt. Die LFA MV setzt dabei auf diesen integrativen Ansatz, der neben der Forschung auch die enge Zusammenarbeit mit der Fischerei, Verwaltung und Öffentlichkeit umfasst. „Nur durch ein gemeinsames Vorgehen können der Wiederaufbau und Schutz von Beständen, ihr Monitoring und nachhaltiges Management erfolgreich umgesetzt werden. Ereignisse wie das Fischsterben in der Oder 2022 zeigten jedoch, wie empfindlich diese komplexen Vorhaben bleiben“, so Backhaus.

Gefördert wird das aktuelle Projekt (Laufzeit: 01.07.2023-30.06.2027) mit 70 Prozent aus Mitteln des Europäischen Meeres-, Fischerei- und Aquakulturfonds (EMFAF) und mit 30 Prozent durch das das Land Mecklenburg-Vorpommern. Es wird mit einer Projektfördersumme von 1.800.899 Euro durch drei Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter umgesetzt.

Die LFA MV dankt allen Partnern und Partnerinnen sowie Unterstützenden und blickt zuversichtlich auf die kommenden Jahre, in denen die ersten in die Flüsse zurückkehrenden geschlechtsreifen Störe erwartet werden - ein weiterer bedeutender Schritt auf dem Weg zur Rückkehr dieses faszinierenden Urzeitfisches in die Ostsee.