Kinderschutz

Hand eines Erwachsenen hält Händchen mit einer Kinderhand vor grünem HintergrundDetails anzeigen
Hand eines Erwachsenen hält Händchen mit einer Kinderhand vor grünem Hintergrund

© pixelshot/Canva

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Das Fundament für eine gelingende Entwicklung von Kindern wird in der Familie gelegt. Mütter und Väter sind dabei wichtige Vorbilder. Das Grundgesetz garantiert ihnen das vorrangige Recht, aber auch die Pflicht, für das Wohl ihrer Kinder Sorge zu tragen und sie in ihrer Entwicklung zu fördern (Art. 6 Grundgesetz). Damit ihnen das gelingt, steht ihnen ein vielfältiges fachübergreifendes Bildungs-, Beratungs- und Unterstützungsangebot zur Seite.

Sind Eltern dennoch nicht oder nicht in ausreichendem Maße in der Lage, für das Wohl ihrer Kinder Sorge zu tragen, greift der staatliche Schutzauftrag. Dieser Auftrag wird in § 8a des Achten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VIII) als Aufgabe der Jugendämter konkretisiert. Gleichzeitig wird die Verantwortung der freien Träger und deren Kooperationspartner im Kinderschutz hervorgehoben. Um den Kinderschutz in Mecklenburg-Vorpommern weiter voran zu bringen, unterstützt und initiiert das Land verschiedene Aktivitäten und Maßnahmen.

Übersicht über Beratungs- und Unterstützungsangebote

 

Neue Publikation: „Datenschutz – (k)ein Hindernis im Kinderschutz(!)?“
Wenn es im Einzelfall für den Kinderschutz erforderlich ist, tritt der Datenschutz nach den entsprechenden gesetzlichen Regelungen zurück. Umgekehrt ist der Datenschutz für die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den betroffenen Personen die wichtigste Grundlage, so dass er auch während des Kinderschutzverfahrens nicht pauschal „außer Kraft“ gesetzt werden kann. Für Fachkräfte in der Kinder- und Jugendhilfe bedeutet die Berücksichtigung dieses Spannungsfeldes eine Herausforderung. Im Auftrag des Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Sport MV entstand ein umfassendes an der Praxis orientiertes Regelwerk über den sicheren datenschutzrechtlichen Umgang zur Sicherung des Kinderwohls.

Fragen und Themen im Überblick

Was braucht ein Kind?

Im Grunde ist es doch ganz einfach: Kinder brauchen ein liebevolles und stabiles Umfeld, damit sie sicher und gesund aufwachsen können. Sie brauchen Geborgenheit, Fürsorge und Vertrauen. Eltern sind dabei die wichtigsten Bezugspersonen. Sie tun ihr Bestes, damit ihre Kinder unterstützt, gestärkt und gefördert werden. Dabei versuchen sie die eigenen Erfahrungen und Werte an ihre Kinder weiterzugeben.

Der US-amerikanische Psychologe Abraham Maslow (1908–1970) beschreibt die zur Entwicklung der menschlichen Persönlichkeit wichtigen Elementar- und Grundbedürfnisse wie folgt:

 

Physiologische Bedürfnisse: Essen, Trinken, Ausscheidungen, Schlaf, Wach-Ruhe-Rhythmus, Zärtlichkeit, Körperkontakt etc.

Bedürfnis nach Schutz und Sicherheit: Schutz vor Gefahren, vor Krankheiten, vor Unbilden des Wetters, vor materiellen Unsicherheiten etc.

Bedürfnisse nach einfühlendem Verständnis und sozialer Bindung: Dialog und Verständigung (verbal und nonverbal), sichere Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft, Familie etc.

Bedürfnisse nach seelischer und körperlicher Wertschätzung: bedingungslose Anerkennung als seelisch und körperlich wertvoller Mensch, körperliche und seelische Zärtlichkeit, Unterstützung der aktiven Liebesfähigkeit, Anerkennung als autonomes Wesen etc.

Bedürfnisse nach Anregung, Spiel und Leistung: Förderung der Neugier, Anregungen und Anforderungen, Unterstützung beim Erleben und Erforschen der Umwelt etc.

Bedürfnisse nach Selbstverwirklichung und Bewältigung existentieller Lebensängste: Entwicklung eines Selbstkonzeptes, Unterstützung der eigenständigen Durchsetzung von Bedürfnissen und Zielen, Bewusstseinsentwicklung, Unterstützung bei der Bewältigung von Lebensängsten und Lebenskrisen etc.

 

vgl. Maslow, A.H.: Motivation und Persönlichkeit, Freiburg 1978.
 

Folgt man der Auffassung von Maslow, so müssen im Allgemeinen erst die Grundbedürfnisse bis zu einem Mindestmaß befriedigt sein, damit sich auf der nächsten Bedürfnisstufe überhaupt Interessen entwickeln bzw. deren Befriedigung angestrebt werden kann. Werden die Bedürfnisse auf einer oder auf mehreren Ebenen chronisch unzureichend erfüllt, spricht man von Vernachlässigung. Je niedriger die versagten Bedürfnisse in der Hierarchie angesiedelt sind, umso gravierender sind die damit verbundenen Folgen. Während die Befriedigung höherer Bedürfnisebenen eher einen Aufschub verträgt, kann ein anhaltender Mangel physiologischer Bedürfnisbefriedigung sogar zum Tode führen.

Vernachlässigung von Kindern hat viele Gesichter!

Die Vernachlässigung von Kindern ist eine Form der Kindeswohlgefährdung. Sie vollzieht sich in der Regel schleichend und unauffällig. Die Folgen sind in der Regel erst spürbar, wenn die Vernachlässigung schon längere Zeit andauert. Bleiben grundlegende Versorgungsleistungen kontinuierlich aus, kann es zu erheblichen Störungen der kindlichen Entwicklung, zu Verhaltensauffälligkeiten oder gesundheitlichen Beeinträchtigungen kommen. Die Eltern der betroffenen Kinder sind dabei häufig von materiellen und sozialen Problemen (Armut, Arbeitslosigkeit, Isolation) betroffen. Ihre Situation – resultierend aus Nichtwissen, Überforderung und Unfähigkeit – macht es ihnen schwer, angemessen auf die Bedürfnisse ihrer Kindern einzugehen.

Anzahl der von Vernachlässigung betroffenen Kinder in M-V

Lt. Statistik haben die Jugendämter in Mecklenburg-Vorpommern im Jahr 2017 insgesamt 3.815 Verfahren zur Einschätzung von Kindeswohlgefährdungen durchgeführt. Nicht bei jedem Verfahren bestätigte sich der Verdacht auf Kindeswohlgefährdung. Lediglich in 31% der Fälle wurde eine akute oder latente Gefährdung festgestellt. In 40% der Fälle wurde ein erzieherischer Hilfebedarf diagnostiziert und in 29% endeten die Verfahren ohne Feststellung einer Kindeswohlgefährdung oder eines Hilfebedarfs.

Häufigste Ursache für die Einstufung als akute oder latente Kindeswohlgefährdung sind Anzeichen für Vernachlässigung. So gehen 57% der Fälle bei akuten und 64% der Fälle bei latenten Kindeswohlgefährdungen auf Vernachlässigung zurück. Kinder in der Altersgruppe unter drei Jahren sind dabei besonders betroffen.

Quelle: Statistisches Amt M-V

 

 

Welche Folgen hat Vernachlässigung?

Werden Kinder dauerhaft vernachlässigt, können erhebliche Beeinträchtigungen ihrer emotionalen und kognitiven Entwicklung sowie körperliche Schädigungen auftreten. Das Ausmaß der Beeinträchtigung hängt dabei entscheidend von der Dauer und Intensität der Vernachlässigung, den Wechselwirkungen verschiedener Gefährdungsformen und weiteren Belastungen ab. So kann die Kumulation diverser Gefährdungsfaktoren verstärkend wirken. Mit welchen Langzeitfolgen Betroffene zu kämpfen haben, ist von Fall zu Fall anders und wird durch das Zusammenspiel individueller Belastungen und Ressourcen bestimmt. Bei der Beurteilung sind die einzelnen Anzeichen immer auch in den Kontext der gesamten kindlichen Lebenssituation zu setzen.

Basic Need

Folge des Mangels

Langzeitfolgen

Liebe, Zuwendung

Gedeihstörungen, emotionale Störungen

Körperliche und psychische Deprivationsfolgen

Stabile Bindungen

Auffälligkeiten im Kontakt (Nähe-Distanz)

Bindungsstörungen

Versorgung

Hunger, Fehlernährung, Gedeihstörungen

Psychosozialer Minderwuchs

Aufsicht

Unfälle

Behinderungen

Körperpflege

Entzündungen (z. B. im Windelbereich)

Defektheilungen z. B. a. d.  Haut durch Superinfektionen

Gesundheitsfürsorge

Vermeidbare Erkrankungen

Schwere Verläufe

Tagesablauf

Schlafstörungen, Apathie am Tag

Entwicklungsstörungen, Deprivation

Relative Freiheit von Angst

Angst

Selbstwert- und emotionale Probleme

Körperliche Unversehrtheit

Angst, Verletzung nach Misshandlung und sexuellem Missbrauch

Posttraumatische Reaktionen, Bindungs- und Persönlichkeitsstörungen

Respekt vor altersentsprechender Intimität, Schutz vor sexueller Ausbeutung

Sexualisiertes Verhalten

Psychische Langzeitfolgen, Partnerprobleme etc.

Anregung, Vermittlung von Erfahrungen

Entwicklungsdefizite, Deprivation

Entwicklungsstörungen, psychiatrische Störungen

Fegert, J. M. (1997): Basic Needs als ärztliche und psychotherapeutische Einschätzungskriterien. In: Institut für soziale Arbeit e. V. (Hrsg.): Familien in Krisen – Kinder in Not (Kongressdokumentation). Münster. S. 66-73

Welche Risikofaktoren begünstigen Vernachlässigungen?

Bei der Vernachlässigung handelt es sich meist um einen mehrdimensionalen komplexen Prozess, der mit Einschränkungen in der Lebenssituation von Familien und mangelnden Ressourcen zusammenhängt. Um den Gefahren präventiv entgegenzuwirken ist es wichtig, hinweisende Risikofaktoren zu kennen. Zu diesen Faktoren gehören u. a.:

Situation der Eltern/ Sorgeberechtigten:

  • biografischer Hintergrund (fehlende oder schwache Bindungs- und Beziehungserfahrungen, instabile Familienverhältnisse, Fremdunterbringung, Trennung/ Scheidung, Migration, Kriminalität, Gewalt, etc.)
  • persönliche Voraussetzungen (Krankheit oder Beeinträchtigungen, Suchterfahrungen, psychische Erkrankungen, Krisen, berufliche Über- oder Unterforderung, fehlende psychosoziale oder kognitive Bewältigungsfähigkeit, niedriges Bildungsniveau, mangelhafte Persönlichkeitsentwicklung etc.)
  • Beweggründe und Bedingungen für die Elternschaft (ungewollte oder komplizierte Schwangerschaft/ Geburt, frühe Elternschaft, enge Geburtenfolge, mangelndes und unklares Lebens- und Familienkonzept, verzerrte Einstellungen und Erwartungen in Bezug auf das Kind, mangelndes Wissen zur Versorgung, Pflege, Erziehung des Kindes etc.)
  • Beschaffenheit der Paarbeziehung (mangelnde Kommunikationsfähigkeit, Gewalt, Machtkämpfe, materielle und emotionale Abhängigkeit, Aufgabenverteilung etc.)

Situation des Kindes:

  • Gesundheitszustand des Kindes (Krankheit, Behinderung etc.)
  • Individualität des Kindes (Temperament, äußere Erscheinung, Selbstregulationsfähigkeit, vielfaches und andauerndes Schreien, unregelmäßiger und kurzzeitiger Schlafrhythmus, wenig empfänglich für Trost, geringe oder große Ablenkbarkeit, geringe Neugier, kleine Aufmerksamkeitsspanne, minimale Gewichtszunahme, geringes Entwicklungstempo)

Soziale Situation der Familie:

  • prekäre finanzielle Situation (Arbeitslosigkeit, Überschuldung, Sozialhilfe etc.)
  • eingeschränkte Wohnsituation (Größe, Lage, Einrichtung, Obdachlosigkeit)
  • soziokulturelle Situation (mangelnde soziale Integration, fehlende Unterstützung durch soziale Netzwerke wie Familie, Verwandte und Nachbarn, mangelnde oder zu starke Abgrenzung gegenüber dem sozialen Umfeld)

Ob es in Familien, in denen solche Faktoren erkennbar sind, tatsachlich zur Vernachlässigung von Kindern kommt, ist nicht immer eindeutig. Allerdings ist von einem erhöhten Grad der Gefährdung auszugehen, je mehr dieser Faktoren aufeinandertreffen.

Welche Schutzfaktoren können das Risiko für Vernachlässigung mindern?

In der Praxis hat sich die Überzeugung durchgesetzt, dass ein ressourcenorientiertes Verhalten von Fachkräften die vorhandenen Selbsthilfepotentiale bei Betroffenen so mobilisieren kann, dass sie als Ansatzpunkte für eine gezielte Förderung und Unterstützung genutzt werden können. Neben Risikofaktoren sind demzufolge immer auch Ressourcen und Schutzfaktoren vorhanden, die es zu erkennen gilt. Sie können dazu beitragen, die negativen Wirkungen von Risikofaktoren vorübergehend oder dauerhaft zu mindern. Hierbei sollte die Veränderungsbereitschaft bzw. -fähigkeit der Eltern/ Sorgeberechtigten in Bezug auf folgende Aspekte berücksichtigt werden:

  • die Zufriedenheit/ Unzufriedenheit mit der gegenwärtigen Situation,
  • das Selbstvertrauen und die realistische Hoffnung auf Veränderung,
  • die Haltung gegenüber der Vernachlässigung,
  • die Geschichte von Inanspruchnahme und Wirkung von Hilfen sowie dem Nutzen von verfügbarer Hilfe

 Zu den kindlichen Ressourcen und Schutzfaktoren gehören:

  • Ressourcen beim Kind: Resilienz, Erleben der eigenen Wirksamkeit, etc.
  • Ressourcen in der Familie: mindestens eine vertraute, verlässliche und verfügbare Bezugsperson, demokratischer Erziehungsstil, konstruktive Kommunikation, etc.
  • Ressourcen im sozialen Umfeld: unterstützendes formelles und informelles Netzwerk, Freundschaften, etc.
  • Ressourcen im Lebensstandard: anregende Lernumgebung, etc.

Wie können gelingende Hilfen aussehen?

In der Praxis besteht die Herausforderung darin, belastete Familien frühzeitig zu erkennen und über niedrigschwellige Zugänge einen vertrauensvollen und nachhaltigen Kontakt zu ihnen aufzubauen. Das ist aufgrund ihrer ausgeprägten entbehrungs- und konfliktreichen Sozialisationserfahrung meist nicht einfach. Angesichts der vielfältigen Probleme reichen kurzfristige und punktuelle Hilfen selten aus. Vielmehr bieten sich mehrdimensionale, flexible und passgenaue Hilfearrangements an, die aufsuchende Hilfeformen einschließen können. Der Schwerpunkt liegt dabei in der Regel in der Stärkung der elterlichen Fürsorge- und Erziehungsfähigkeit sowie alltagspraktischen Unterstützung.

Um Vernachlässigung bereits im Säuglings- und Kleinkindalter vorzubeugen, sollten Frühe Hilfen angeboten werden, die sich auf Ergebnisse der Bindungs- und Resilienzforschung stützen. So können Eltern unterstützt werden, Bedürfnisse und Signale ihres Kindes besser zu verstehen, ihren Entwicklungsstand realistischer einzuschätzen und angemessen auf ihr Kind einzugehen.

Näheres dazu kann in Kürze unter: fruehe-hilfen-mv.de abgerufen werden.

Programme und Empfehlungen

Empfehlungen für die Arbeit im Kinderschutz

Neu: Ausführliche Handreichung „Datenschutz – (k)ein Hindernis im Kinderschutz(!)?“ für Fachkräfte, interessierte Bürgerinnen und Bürger und betroffene Jugendliche zum Umgang mit sensiblen personenbezogen Daten im Kinderschutz.

Mit Inkrafttreten des Bundeskinderschutzgesetzes (BKiSchG) am 1. Januar 2012 haben sich die rechtlichen Voraussetzungen für einen wirksameren Kinderschutz weiter verbessert. Dazu wurden unter anderem die Vorschriften der §§ 8a und 72a SGB VIII zum Abschluss von Vereinbarungen mit Trägern der Einrichtungen und Dienste angepasst. Die Regelungen tragen dem besonderen Schutzbedürfnis von Kindern und Jugendlichen Rechnung und sollen die Beschäftigung einschlägig vorbestrafter Personen im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe weitgehend verhindern.

Landesprogramm Kinderschutz

Das am 1. März 2016 durch das Kabinett beschlossene Landesprogramm bündelt die bestehenden Maßnahmen des Landes im Kinderschutz erstmals ressortübergreifend und formuliert wichtige Entwicklungsziele. Diese sind Ausdruck einer fachübergreifenden Verantwortung und bekräftigen die Notwendigkeit, sich weiterhin für das Wohl und den Schutz von Kindern und Jugendlichen zu engagieren. Hierzu werden konkrete Zielstellungen formuliert.

Viele gute Maßnahmen sind bereits umgesetzt worden, um die Bedingungen des Aufwachsens für Kindern und Jugendlichen weiter zu verbessern. Diese Bemühungen sollen fortgesetzt werden. Dabei geht es insbesondere um eine nachhaltige, kooperative und zukunftsweisende Qualitätsentwicklung im Kinderschutz. An der Umsetzung des Programms wird kontinuierlich gearbeitet.

Landesprogramm – Unterrichtung

 

Kontakt

Diana Lüth
Referat 200 (Jugendhilfe, Jugendarbeit, Kinder- und Jugendschutz)
Werderstraße 124
19055 Schwerin
Telefon: 0385 / 588-9202

Publikationen und Dokumente

Sonstiges

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