Ministerpräsident: NS-Medizinverbrechen in der Region aufarbeiten

Nr.23/2009  | 27.01.2009  | MPin  | Ministerpräsident

Zu den Verbrechen der Nationalsozialisten hat sich  Ministerpräsident Erwin Sellering am Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus im Rahmen der Gedenkveranstaltung des Landtages in Rostock geäußert: "Wir gedenken aller Opfer, die während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft gequält und ermordet wurden. Unser Gedenken gilt allen, die unermessliches Leid erlitten haben, denen die Würde genommen wurde, die ihr Leben verloren haben."

Im Mittelpunkt der Gedenkveranstaltung standen die Medizinverbrechen während der NS-Zeit. Der Ministerpräsident erinnerte daran, dass es auch in Mecklenburg-Vorpommern zahlreiche Medizinverbrechen gegeben habe. Alt Rehse, damals Standort der "Führerschule der Deutschen Ärzteschaft" und damit ein Ort der Ausrichtung auf die menschenverachtende NS-Ideologie vom "lebensunwerten Leben", lege dem Land dabei eine besondere Bürde und Verantwortung auf: "An die 40.000 Mediziner gingen durch diese Schule. Aus ihnen rekrutierten sich die Experten des Euthanasie-Mord-Programms."

Aus den psychiatrischen und medizinischen Anstalten im Land seien ab Herbst 1939 behinderte und psychisch kranke Patienten in Tötungsanstalten abtransportiert worden, führte der Ministerpräsident aus. Tausende Menschen seien den Maßnahmen in Rostock, Ueckermünde oder Stralsund zum Opfer gefallen. Allein in Schwerin seien nahezu 1.000 behinderte und kranke Patienten zwangssterilisiert, in Vernichtungslager überstellt oder durch Anstaltspersonal zu Tode gebracht. Sellering: "Mediziner ließen Kinder, Frauen und Männer in den Nervenkliniken verhungern, verabreichten ihnen Schlafmittel bis zum Atemstillstand, machten tödliche medizinische Experimente, stuften Menschen in 'lebenswert' und 'lebensunwert' ein."

Der Ministerpräsident sprach sich für das Erinnern und die Aufarbeitung der regionalen Geschichte der Euthanasie - wie am Universitätsklinikum Rostock - aus: "Das Leid all dieser Menschen verpflichtet uns, ihr Schicksal aus dem Dunkel zu holen. Ihr Leid macht uns deutlich, was verloren geht, wenn das erste Recht des Menschen - das Recht auf Leben, auf Leben in Würde – missachtet wird." Sellering dankte auch für den Einsatz zur Errichtung des Mahnmals in Rostock-Gehlsdorf.

Der Ministerpräsident warb erneut für eine gemeinsame Anstrengung bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus. Allerdings sei es auch wichtig, sich stärker für die Integration und Chancengleichheit von Menschen mit Behinderungen, psychischen und chronischen Erkrankungen einzusetzen:

"Es geht um die stärkere Sensibilisierung der Gesellschaft für die Belange kranker und behinderter Menschen. Es geht um die Schaffung gleichwertiger Lebensbedingungen." Dabei seien im Land in den vergangenen Jahren schon wichtige Fortschritte gemacht worden.

Der Ministerpräsident plädierte für ein kritisches Nachdenken, "ob angesichts der aktuellen Debatten, von 'Kindern nach Wunsch' bis Sterbehilfe, nicht vielleicht sehr schnell Grenzen ins Rutschen kommen. Es gibt kein Leben, das unwert ist. Es gibt kein Leben, das selektiert werden darf. Das Leben ist schutzwürdig, vom Anfang bis zum Ende, das dürfen wir nicht vergessen."