Ostmoderne in Neubrandenburg


Nebeneinander von mittelalterlicher Stadtmauer und DDR-Architektur in Neubrandenburg: Wandbild und Wiekhaus
© Dr. Rita Gerlach-March
Nebeneinander von mittelalterlicher Stadtmauer und DDR-Architektur in Neubrandenburg: Wandbild und Wiekhaus
© Dr. Rita Gerlach-March
Im April 2025 startete das Erfassungsprojekt „Ostmoderne in Neubrandenburg. Zeugnisse der Architektur, des Städtebaus und der Kunst im öffentlichen Raum von 1945 bis 1990“.
Wie keine andere Stadt in Mecklenburg-Vorpommern ist Neubrandenburg durch die Architektur der DDR-Zeit geprägt, denn die großflächigen Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg und die Funktion als Bezirksstadt hatten eine umfangreiche Bautätigkeit unter neuen politischen und städtebaulichen Vorgaben zur Folge.
Da nach 1990 bereits viele DDR-zeitliche Neubauten, Wandbilder oder baubezogene Plastiken verloren gegangen sind, drängt die Zeit, den derzeitigen Bestand professionell zu begutachten und Erhaltenswertes zu schützen.
Unter Leitung des Landesamtes für Kultur und Denkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern (LAKD M-V) und unterstützt durch die Stadt Neubrandenburg bearbeiten zwei Kunsthistorikerinnen, Sabine Kahle und Friederike Thomas, dieses kulturelle Erbe.
Aufruf zur Beteiligung
Kulturministerin Bettina Martin und Oberbürgermeister Nico Klose rufen die Bürgerinnen und Bürger dazu auf, das Projekt aktiv zu unterstützen: Wer künstlerische Gestaltungen oder architektonische Details aus DDR-Zeiten kennt, die bisher kaum bekannt sind, weil sie sich beispielsweise im Inneren von Gebäuden befinden oder an wenig besuchten Orten versteckt liegen, kann wertvolle Hinweise liefern.
Helfen Sie uns, weitere Bau- und Kunstwerke aufzuspüren. Dann können unsere Expertinnen und Experten im Landesamt für Kultur- und Denkmalpflege die Vorschläge bewerten und prüfen, ob sie für die Nachwelt erhalten werden und dafür als Denkmale ausgewiesen werden sollen.
Senden Sie Ihre Fundstücke mit Fotos (als Bilddateien, z. B. jpg, mit max. 20 MB pro Mail) sowie der Angabe des Fundortes (Adresse und ob öffentlich zugänglich oder privat) sowie – wenn Sie Interesse haben, weiter informiert zu werden – Ihren Kontaktdaten an: j.kirchner@lakd-mv.de
Einsendeschluss ist der 31. Januar 2026.
Das Projekt
Nachdem im Projekt „Drinnen und Draußen. Kunst im Norden der DDR“ im September 2022 eine erste Bestandsaufnahme zum Stand der Forschung zur Kunst der DDR im öffentlichen Raum erfolgte und sichtbar gemacht wurde, geht das aktuelle Projekt weitere wichtige Schritte.
Erfassung
Durch die katalogartige, digital gestützte Erfassung von Architektur, Städtebau, Freiflächengestaltung und Kunst im öffentlichen Raum und die Einbettung in die historischen, kulturellen und politischen Kontexte soll eine Zusammenschau vergleichbarer Objekte erzeugt werden.
- Erfassung der Grunddaten zum Objekt wie Standort bzw. Adresse, Entstehungsjahr, Angaben zu Architekten und Künstlern, Projektierungsbüros oder Werkstätten, Auftraggeber, Material, Maße
- Objektaufnahme vor Ort, fotografische Dokumentation
- Recherchen in der veröffentlichten Literatur sowie in Archiven und Sammlungen
- Kurze Objektbeschreibung, Bewertung und Zuordnung zu architektonischen, städtebaulichen oder künstlerischen Aufgabenbereichen sowie Einordnung in die einzelnen Phasen der Entwicklung der DDR
Vermittlung
Im Ergebnis des abgeschlossenen Projektes soll es fachwissenschaftliche und für Lernende zugängliche und breitenwirksame Begleitprodukte geben:
| Inventarband |
| Schüler-Bildkarten-Satz |
| Handreichung für Lehrerinnen und Lehrer |
| Steckbriefsammlung im Postkartenformat |
Beispiele

Das Wandbild von Wolfram Schubert (*1926) von 1961/1962, am ehemaligen Kindergarten, in der 2. Ringstr. 205, steht auf der Liste der Prüffälle im Erfassungsprojekt. Inzwischen wurde der Denkmalwert erkannt und begründet und das Relief in die Denkmalliste eingetragen.
© Dr. Rita Gerlach-March

Das Wandbild „Kampf und Sieg der Arbeiterklasse“ von Wolfram Schubert (*1926) von 1968/69 im Rathaus am Friedrich-Engels-Ring 53 wurde nach der Wende zunächst überklebt und bei Renovierungsarbeiten nach 29 Jahren nach kontroversen Diskussionen freigelegt und restauriert.
© Dr. Rita Gerlach-March

Säule von Barbara Löffler (1943-2018), von 1979/1982 im Boulevardcafé, Wartlaustraße 7
© Dr. Rita Gerlach-March

Bronzeplastik „Wölfin“ von Walter Preik (1932-2018), um 1980, nach der politischen Wende an der Marienkirche aufgestellt. Sie stammt ursprünglich aus einem anderen Kontext.
© Dr. Rita Gerlach-March

Haus der Kultur und Bildung nach einem Entwurf von Iris Grund (*1933), 1963-1965
© Dr. Rita Gerlach-March

Figurengruppe „Kinderchor“ von der Laienkünstlerin Inge Krötschel, aufgestellt 1973 im Kulturpark Neubrandenburg
© Dr. Rita Gerlach-March

„Stier“ von Franz-Ulrich Poppe (1939-2024), 1976, Spielplatz im Kulturpark Neubrandenburg
© Dr. Rita Gerlach-March

Wird differenziert betrachtet: Die „Giraffe“ von Franz-Ulrich Poppe 1976, Spielplatz im Kulturpark Neubrandenburg. Die Skulptur wurde nicht ursprünglich für den Kulturpark geschaffen.
© Dr. Rita Gerlach-March

Das Wandbild in Sgraffito-Technik an der Gesamtschule „Vier Tore“ in der Südstadt von 1962 hat den Neuaufbau der Stadt nach Ende des Zweiten Weltkrieges zum Thema. Künstler: Wolfram Schubert.
© Bötefür

Im Inneren eines Saales in der Warliner Straße zeigt ein großflächiges Bild von 1978 in altmeisterlicher Malweise eine Art Idealwelt der Gesellschaft. Titel: Volksfest. Künstler: Erhard Großmann.
© Mamerow

Der Prototyp für die Wohnungsbauserie 70, kurz WBS 70, steht in der Oststadt, Koszaliner Straße 1-7. Erbaut 1972/73, sollten in der DDR 640.000 Wohnungen des Typs folgen.
© Bötefür

Das Wandbild „Die Quelle“ von Wolfram Schubert an einem 14-geschossigen Hochhaus in der Neustrelitzer Straße (Südstadt Neubrandenburg), einem von 15 Gebäuden des Plattenbautyps WBS 70, die als Zeugnis der Sozialpolitik der DDR, in Neubrandenburg historisch wertvoll und schützenswert sind. Die Anfang der 1980er Jahre entstandenen Hochhäuser mit 1100 Wohnungen sind im Gegensatz zu anderen Städten in der Grundsubstanz ursprünglich erhalten.
© Achim Bötefür (2019)
Die Projektbeteiligten
Das Erfassungsprojekt „Ostmoderne in Neubrandenburg. Zeugnisse der Architektur, des Städtebaus und der Kunst im öffentlichen Raum von 1945 bis 1990“ ist eine Kooperation der Ostdeutschen Sparkassenstiftung gemeinsam mit dem Landesamt für Kultur und Denkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern, Landesdenkmalpflege und der Vier-Tore-Stadt Neubrandenburg:
Landesamt für Kultur und Denkmalpflege MV (LAKD)
Das Landesamt für Kultur und Denkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern (LAKD MV) ist einer der drei Partner der Kooperation und einer der beiden Projektträger. Es koordiniert und leitet das Projekt und ist zuständig für:
- Ausschreibung und Anleitung externer Projektkräfte
- Durchführung der Erfassung einschl. Entwicklung des Erfassungsbogens
- Erarbeitung des Inventarbandes einschl. Drucklegung
- Öffentlichkeitsarbeit, Berichtswesen, Dokumentation
Das LAKD fördert das Erfassungsprojekt Ostmoderne in Neubrandenburg mit 80.218 Euro und hatte das abgeschlossene Vorgängerprojekt „Drinnen und draußen – Kunst im Norden der DDR“ mit 25.325 Euro gefördert.
Vier-Tore-Stadt Neubrandenburg
Die Stadt Neubrandenburg ist einer der drei Partner der Kooperation und einer der beiden Projektträger. Sie ist mit Kulturamt und unterer Denkmalschutzbehörede zuständig für:
- Unterstützung bei der Erfassungsarbeit
- Unterstützung und Mitwirkung bei der Denkmalvermittlung
- Unterstützung bei der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Ostdeutsche Sparkassenstiftung
Die Ostdeutsche Sparkassenstiftung ist der dritte Kooperationspartner und Zuwendungsgeber im Projekt „Ostmoderne in Neubrandenburg“: Das Projekt „Ostmoderne in Neubrandenburg“ und sein 2024 beendetes Vorläuferprojekt „Drinnen und draußen – Kunst im Norden der DDR“ wurden ermöglicht durch eine Förderung der Ostdeutschen Sparkassenstiftung gemeinsam mit der Stiftung der Sparkasse Neubrandenburg. Mit der Unterstützung dieses Projektes wollen Stiftung und Sparkasse die Architektur und baubezogene Kunst der DDR auch jener Generation nahebringen, für die diese – für viele Menschen prägenden – Jahrzehnte schon Geschichte sind.
Die Ostdeutsche Sparkassenstiftung fördert, unterstützt und begleitet künstlerische und kulturelle Vorhaben in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Sachsen-Anhalt: Von Kunst und Musik über Literatur und Theater bis hin zu Kulturgeschichte und Restaurierungen in der Denkmalpflege reicht dabei ihr Spektrum. Seit ihrer Errichtung im Jahr 1996 standen dafür mehr als 124 Millionen Euro aus den Vermögenserträgen der Stiftung, dem überörtlichen Zweckertrag des PS-Lotterie-Sparens sowie den projektbezogenen Zusatzspenden der Sparkassen und ihrer Verbundunternehmen zur Verfügung. Insgesamt 2.680 Projekte konnten damit verwirklicht werden.
Sabine Kahle und Friederike Thomas
Die beiden Kunsthistorikerinnen Sabine Kahle und Friederike Thomas haben den Auftrag erhalten, das kulturelle Erbe der Ostmoderne in Neubrandenburg im Rahmen des Erfassungsprojekts zu bearbeiten:
Sie begehen systematisch die Straßenzüge, erfassen die Objekte fotografisch, werten die Bauakten im Stadtarchiv aus – mit dem Ziel, mehr Kenntnisse über die bereits denkmalgeschützten Zeugnisse zu gewinnen, aber auch weitere Bau- und Kunstwerke aufzuspüren, zu bewerten, gegebenenfalls für eine Unterschutzstellung vorzuschlagen.
Sabine Kahle und Friederike Thomas arbeiten seit 2000 gemeinsam in Berlin und Stralsund mit Schwerpunkt Denkmalpflege u. a. im Auftrag der unteren Denkmalschutzbehörden (Stralsund, Wismar, Schwerin, Landkreis Vorpommern-Rügen, Rostock, Neubrandenburg), des LAKD MV, anderer Kultureinrichtungen sowie privater Auftraggeber.
Weitere Informationen:
17.11.2025 | Schätze der Ostmoderne: Neubrandenburg steht im Mittelpunkt landesweiter Forschung
28.08.2024 | Kunst aus DDR-Zeit erforschen, erfassen und zugänglich machen
